Bericht aus Dieppe
Geschrieben von Klaus K. Haverkamp am 28.08.2017 um 22:37
Am Sonntag ging in der nordfranzösischen Küstenstadt Dieppe das 13. Festival International d'Échecs zu Ende. Es bestand aus vier Turnieren: dem Open A für Spieler mit Elo größer als 1700 (mit 124 Teilnehmern), dem Open B für Spieler mit Elo kleiner als 1800 (mit 128 Teilnehmern), dem Open C für Spieler mit Elo kleiner als 1500 und Geburtsjahr größer als 2003 (mit 40 Teilnehmern) und dem Open Senior + für Spieler mit Geburtsjahr kleiner als 1977 (mit 59 Teilnehmern). Das ergab zusammen die stattliche Anzahl von 351 Spielern.

Wegen Bauarbeiten fand das Festival nicht wie üblich im zentral und meernah gelegenen Kasino und in der Stadthalle statt, sondern gut 2km entfernt in einer großen Sporthalle, was nicht die Zustimmung von allen Teilnehmern fand. Zusammen mit meinem Schach-Reisepartner Dirk Angermünde nahm ich zum dritten Mal nach 2011 und 2013 am Open A teil. Es waren 14 Nationen vertreten; Deutschland mit den beiden GM Donchenko und Haub, dem Ehepaar Schmitz sowie Dirk und mir. Der junge GM Alexander Donchenko führte nach 7 Runden mit einem ganzen Punkt Vorsprung, fiel aber durch zwei Niederlagen noch auf den vierten Platz zurück. Ich selbst bin, auch wenn ich mir etwas mehr erhofft habe, mit einem 50%-Ergebnis zufrieden. Bemerkenswert sind a) meine durchweg jugendliche Gegnerschaft und b) die Übereinstimmung der Ergebnisse mit den Erwartungen aufgrund der Elozahl. Ich holte 4:0 gegen Spieler mit Elo 1767 bis 1848 und Geburtsjahr 1999 bis 2005 und 0:4 gegen Spieler mit Elo 2093 bis 2321 und Geburtsjahr 1995 bis 2000. (Das einzige Remis ergab sich in Runde 1 gegen einen älteren Herrn von 30 Jahren.)

Endstand:
1. GM Igor RAUSIS [CZE] 7,5 Punkte, +7, =1, -1
2. IM Grzegorz NASUTA [POL] 7,5, +7, =1, -1
3. IM Christophe SOCHAKI [FRA] 7, +5, =4, -0
4. GM Alexander DONCHENKO [GER], 6,5, +6, =1, -2
14. GM Thorsten HAUB [GER] 6, + 5, =2, -2
61. Klaus HAVERKAMP [GER] 4,5, +4, =1, -4
73. Dirk ANGERMÜNDE [GER] 4, +3, =2, -4
9 Runden Schweizer System, 124 Teilnehmer, 5 GM, 8 IM, 10 FM.Tabelle

Im Open Senior + belegte unser Schachfreund Jean Lucas mit 4/9 den 33. Platz.

Bemerkenswerte Positionen aus meinen Partien (als Aufgaben für die Leser; Lösungen folgen in ein paar Wochen):

Runde 2: C. Beukema (BEL, 1767) – K.H.
Schwarz am Zug. Nach wechselhaftem Spielverlauf (ich erreichte zwei Mal klaren Vorteil und vergab ihn wieder) hätte mein Gegner im Leichtfigurenendspiel ein bequemes Remis haben können, wenn er mit dem König in der Mitte geblieben wäre. Sein letzter Zug 50. Kg4-g5 war aber eindeutig ein Schritt zu viel in die falsche Richtung, wie ich mit meinem nächsten Zug nachwies.


Runde 3: K.H. - M. Paszewski (POL, 2321)
Weiß am Zug. Auch mit 30 Sekunden Inkrement bekommt mir die (in diesem Fall beiderseitige) Zeitknappheit kurz vor dem 40. Zug nicht. Nach Zügen wie 38. Kb1 oder 38. Tcc2 sieht der Computer nichts mehr außer Remis. Stattdessen geschah 38. Tc3? T3a4? 39. Df2? Ta2:+, und dieser unerwartete Zug brachte mich so vollständig aus der Fassung, daß ich mit 40. Kb1??? antwortete.


Runde 8: H. Caille (FRA, 2163) – K.H.
Schwarz am Zug. Der letzte Zug meines Gegners, 36. De2-g4, war ein dicker Fehler, der von mir nicht bestraft wurde.

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Runde 9: K.H. - A. Legrand (FRA, 1848 )
Weiß am Zug. Der letzte schwarze Zug war 27. ... Lc5-d6. Aus der Diagonalen a7-g1 vertrieben, äugt der Läufer jetzt nach g3. Ich entschied mich für den schönsten und stärksten Gewinnzug. Dazu mußte ich mir sicher sein, daß die Variantenberechnung stimmt!

27.10.2017: Erläuterungen zu den Diagrammen:

Runde 2: Mit 50. ...b5! verschaffte ich mir einen starken Freibauern.Das Schlagen des b5 ist keine Option: a) 51. axb5 a4 und der Bauern marschiert ungehindert zur Umwandlung. b) 51. Lxb5 Sxb5 52. g4 Sc3 53. Kh6 Sxa4 54. g5 Sc5 und ...Se6 unterbindet alle Ambitionen des weißen Bauern. Also bleibt das Läufermänover Lc6-f3-d1 als letzter Versuch, den schwarzen Bauern aufzuhalten. Etwas zäher als die Partiefortsetzung 51. Lf3 bxa4 52. Ld1 Se4+ 53. Kg6 Sc3 54. Lc2 a3 55. Lb3 a4 wäre gewesen, das Zugpaar c) 51. g4 b4 einzuschieben. 52. Lf3 b3 53. Ld1 b2 54. Lc2 Sc4, doch auch dann gewinnt Schwarz nach ...Sa3 den Läufer und ist mit dem Springer schnell genug, den weißen Bauern zu stoppen.

Runde 3: Mein starker Gegner hatte im 20. Zug einen Bauern geopfert. Er war sichtlich unzufrieden damit, daß er bis zum 37. Zug keine Fortschritte erzielen konnte. 38. Tc3? Nach 38. Kb1 wäre die Stellung objektiv ausgeglichen. Allerdings, solange es meinem Gegner gelingt, Abtäusche zu vermeiden, steht mir noch eine lange, passive Verteidigung bevor. … T3a4? Stattdessen führt ...Txc3 39. Dxc3 Dg1+ zu klarem schwarzen Vorteil. 39. Df2? Besser ist z.B. De3 (=). ...Txa2. 40. Kb1?? Erzwungen war 40. Txa2 Dxf2 41. Txa8+ Kg7 mit Vorteil für Schwarz, ...Ta1+ 0:1

Runde 8: Nach 36. … De6 verliert Weiß wegen seiner Grundreihenschwäche die Dame für einen Turm (37. Dh5 g6; 37. Lh3 f5).

Runde 9: Nach sorgfältiger Berechnung überzeugte ich mich, daß ich den Einschlag auf g3 zulassen kann: 28. Lxf7 Lxg3 Das funktioniert nicht, aber sonst ist die Stellung mit zwei Minusbauern auch aussichtslos für Schwarz: 28. ...Th6 29. Dg2. 29. fxg3 Txg3+ 30. hxg3 Txg3+ 31. Tg2! Nur so! Da die Df3 tabu ist (Matt auf g8 ), gab Schwarz auf.
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